Die Tagung ist der zweite Teil eines Tandems zur Digitalisierung im Altsprachlichen Unterricht (Netzwerk Freiburg – Tübingen) und lotet Chancen und Grenzen der Digitalisierung für den Lateinunterricht aus, indem sie zur Diskussion von neuen Theorien und über praxiserprobte Projekte anregt.
28. – 29.09.2023
(Digitale) Chancen für den Lateinunterricht
Tagung an der Universität Freiburg (in Präsenz & online)
Tagungsbericht
(Tag 1)
In Zeiten, in denen die Digitalisierung zunehmend Einfluss auf die Lehre an Schulen und Universitäten ausübt, muss sich das Fach Latein – wie alle anderen Fächer auch – mit der Frage auseinandersetzen, welche Chancen aber auch welche Risiken sich damit für den Unterricht ergeben. Hierzu fand an der Universität Freiburg eine Tagung statt, bei der Gastredner aus ganz Deutschland zugegen waren, ja sogar aus Österreich und Kroatien. Parallel zur Präsenzveranstaltung konnten alle Vorträge und Diskussionen auch online verfolgt werden, wodurch eine Gesamtteilnehmerzahl von über 80 Teilnehmern erreicht werden konnte. Die Tagung sollte Gelegenheit geben, sich von den diversen Kurzvorträgen inspirieren zu lassen, sich an der anschließenden Diskussionsrunde zu beteiligen und sich in Kaffeepausen zwanglos auszutauschen.
Eröffnet wurde die Tagung mit einem Überblicksvortrag von Dr. Wolfgang Polleichtner zur Effektivität digitaler Medien im Lateinunterricht. Darin wies er auf die trotz aller Relevanz und Aktualität des Themas unzureichende Forschungslage und der mangelnden Konkretisierungen in der Fachliteratur hin, ebenso auf den Meinungszwiespalt zwischen einem tiefen Misstrauen gegen digitale Medien und einem Nonplusultra-Instrument zur Beseitigung von Bildungsproblemen. Liegen Vorteile des Einsatzes digitaler Medien unter anderem in einer potentiellen Erhöhung der Schülermotivation, einer Stärkung der Medienkompetenz sowie ihrer Effizienz gegenüber Papiermedien, so müssen auch Risiken wie der Umgang mit dem Schutz der Nutzerdaten der SuS oder das Vermeiden eines digitalen Overloads bei einer Generation, die ohnehin einen Großteil ihrer freien Zeit vor Bildschirmen verbringt, erkannt und berücksichtigt werden. Schlussendlich kam der Appell, die Forschung müsse empirischer werden, vor allem im Bereich der Fachdidaktik – reine Metastudien wie die von Hattie (2009) sind bekanntlich mit Vorsicht zu genießen – und die Feststellung, dass angesichts der fortschreitenden Medienrevolution neue Wege eingeschlagen werden müssen, um nicht ins Abseits gedrängt zu werden. Dabei ist und bleibt die Kernfrage: Was macht guten Unterricht aus?
Dr. Jochen Sauer gab im Anschluss einen Ausblick in eine postdigitale Zeit, in der die Digitalisierung im (Latein) Unterricht schon so selbstverständlich und omnipräsent ist, dass keine Tagungen und Diskussionen mehr darüber geführt werden (müssen). Eines der vielversprechendsten Elemente zur Verbesserung der individuellen Leistungskontrolle und des individuellen Feedbacks ist die digitale Hausaufgabenkontrolle mit integrierter Feedbackschleife. Dabei gibt das Programm nach der Eingabe z.B. einer Übersetzung direkt Feedback, ob diese korrekt ist, bzw. welche Punkte der Schüler nicht korrekt erfasst hat, wodurch eine weitere Eingabe erforderlich wird. In Verbindung mit einer trainierten KI kann dies sehr viel Zeit ersparen, darüber hinaus bietet sich die Möglichkeit, im Sinne der Differenzierung schwächeren Schülern mehr Zusatztipps zur Verfügung zu stellen. Auch kann dadurch eine positive Feedbackkultur etabliert werden, welche auch für das Unterrichtsklima förderlich ist.
Nach einer Kaffeepause und der damit einhergehenden Möglichkeit des persönlichen Austausches wurden in einem zweiten Block verschiedene digitale Projekte für den Lateinunterricht vorgestellt. So existiert in Recklinghausen beispielsweise ein DigiTeam, bestehend aus Lehren und Schülern, die u.a. monatliche Mikrofortbildungen in puncto Digitalisierung für das Kollegium anbieten. Dies fördert nicht nur die Motivation der Schüler, die sich dadurch direkt an der Schulentwicklung beteiligen und die Chance bekommen, ihren Lehrern etwas beizubringen, sondern auch die Lehrkräfte sollen dadurch ermutigt und motiviert werden, ohne Hemmungen digitale Elemente in ihrem Unterricht einzubauen. Die Ergebnisse sprechen für sich: nicht nur ein interaktives Escape Game in einer Villa Romana entstand durch das DigiTeam, sondern auch jährliche vor einem Greenscreen gedrehte von der sechsten Klasse selbst geschriebene und aufgeführte kurze Theaterstücke.
Die Online Angebote für den Lateinunterricht sind zahlreicher, als mancher denken mag: so gibt es beispielsweise auf dem Bildungsserver BW u.a. interaktive Übungen, Formentabellen und kommentierte Übersetzungen. Auch die Lehrbuchverlage können einen reichen Fundus an Unterrichtsmaterialien bereitstellen, wie Abs und Unterrichtsmanager. Wer noch eine Stufe weiter gehen möchte, lässt sich direkt von ChatGPT Arbeitsblätter zu lateinischen Texten erstellen oder behandelt mit Bard die antike Kultur. Darüber hinaus gibt es private Websites, wie z.B. LateinLex, welche neben einem Lexikon, einer umfangreichen Textbibliothek sowie einer Nachschlagefunktion auch digitale Lesebücher beinhaltet und die Möglichkeit bietet, eigene ABs oder interaktive Übungen unter Berücksichtigung der Binnendifferenzierung zu erstellen.
Da der Mensch allgemein – und Schüler insbesondere – ein Spieler (Homo ludens) ist, kann die Gamification bestimmter Lerninhalte die Motivation beträchtlich erhöhen. Im Gegensatz zu dem oben erwähnten Escaperoom handelt es sich bei der Gamification jedoch nur um spielerische Elemente in einer nicht spielerischen Umgebung. Über eine ganze Lerneinheit eingesetzt, mit klarer Abstimmung auf die zu erreichenden Lernziele, ergibt sich hier vor allem für die Sek 1 ein didaktisch sinnvoller Mehrwert, allerdings kann in Einzelfällen die Klassendynamik durch verstärktes Konkurrenzdenken negativ beeinflusst werden.
Nach einer weiteren Pause wurden abschließend Ideen für einen modernen Lateinunterricht vorgestellt, im Besonderen soll hier der Einsatz von Erklärvideos und Stop-Motion hervorgehoben werden. Diese bieten fantastische Möglichkeiten, u.a. eine räumliche und zeitliche Unabhängigkeit (und damit die Möglichkeit der Realisierung eines Flipped Classrooms), Wiederholbarkeit (besonders für schwächere Schüler eine Bereicherung) sowie weitere digitale Effekte wie Zeitraffer oder die Erkundung unzugänglicher Orte (z.B. eine Ausgrabungsstelle). Wird gemäß der Cognitive Load Theory darauf geachtet, den extrinsic und intrinsic load zu minimieren und gleichzeitig die lernbezogene Belastung zu maximieren, sind Erklärvideos sehr gut dazu geeignet, die Lernbereitschaft, die Motivation, sowie prozedurales Wissen zu fördern.
Bericht von Joel Schopf.